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> Über „die Welt Als Wille Und Vorstellung“

post Jan 31 2006, 15:40
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Grünschnabel


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Die Welt als Wille und Vorstellung

Arthur Schopenhauer beginnt sein Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung“ mit dem Satz ‚Die Welt ist meine Vorstellung: Dies ist eine Wahrheit, welche in Beziehung auf jedes lebende und erkennende Wesen gilt’. Demnach lebt jeder Mensch in seiner subjektiven Welt, seiner Vorstellung, welche also individuell konstruiert ist. Diese Welt als Vorstellung ist das, durch den erkennenden Menschen mitbestimmte, Erkannte bzw. Erkennbare, was Raum und Zeit und Kausalität einschließt.
Nun betont er aber, dass Erkennen eine zweistellige Relation ist, d.h., dass Subjekt und Objekt unzertrennlich miteinander verknüpft sind als zwei Teile eines Ganzen: Ein Subjekt ist nur mit Bezug auf ein Objekt möglich und ein Objekt ebenso mit Bezug auf ein Subjekt. Demzufolge ist Erkenntnis nur durch ein Auseinandertreten dieser beiden Komponenten möglich.
Dieser Ausgangspunkt ist nun die Prämisse für eine weitere Differenzierung, die Schopenhauer vornimmt, nämlich die Annahme, dass die Welt nicht nur Vorstellung sein kann, sondern in zweifacher Hinsicht gegeben sein muss. Er beschreibt hier den Unterschied zwischen Erscheinung und Erscheinendem: Der Erscheinung, also der Welt als Vorstellung, so Schopenhauer, wohnt ein Wesen inne, welches im Gegensatz zur Erscheinung selber dem Menschen primär nicht erkennbar ist. Erkenntnis durch ein Subjekt ist immer nur Erkenntnis einer Erscheinung, nicht eines Erscheinenden.
Bei der Beschreibung des Erscheinenden bedient sich Schopenhauer der Terminologie Kants, und benennt es ‚Das Ding an sich’, also den Kern der Dinge.
Dieses Ding an sich ist aber nicht die Ursache für die Welt als Vorstellung, denn dann bestünde ein Kausalzusammenhang zwischen ihnen; Ursache-Wirkungszusammenhänge aber gehören in die Welt der Erscheinung (Welt als Vorstellung).
Dennoch meint Schopenhauer einen Zugang zu diesem Kern der Dinge gefunden zu haben, und zwar im Selbstbewusstsein: Der Normalvorgang des Erkennens setzt ein Auseinandertreten von Subjekt als Erkennendes und Objekt als Erkanntes voraus, wobei dieses Objekt immer nur von außen zugänglich ist. Einen unmittelbaren Zugang zum Objektiven aber ist dem Menschen gegeben, wenn das Subjekt selbst zum Objekt wird, sich also selbst betrachtet – ‚Von sich weiß jeder unmittelbar, von allem anderen nur sehr mittelbar’ („Die Welt als Wille und Vorstellung II, S.248).
Schopenhauer geht sogar so weit, dass er eine inhaltliche Bestimmung des Dinges an sich vornimmt, indem er es als ‚Wille’ bestimmt. Er beweist dieses damit, dass das Subjekt der Erkenntnis nicht zum Objekt werden kann, da die Erkenntnis ja die besagte Subjekt-Objekt- Beziehung zur Basis hat, also kein Erkennen des Erkennens möglich ist, aber ein Erkennen als Wollendes. Der Mensch ist sich demnach nicht als Erkennendes, sondern als Wollendes gegeben.
Er definiert den Willen als absolutes Spektrum zwischen leisestem Wunsch und größter Leidenschaft, also ‚alles Begehren, Streben, Wünschen, Verlangen, Sehnen, Hoffen, Lieben, Freuen, Jubeln und deren Gegenstücke als Äußerungen des Wollens’ („Die Welt als Wille und Vorstellung III, S.529f).
Nun ist der Wille nicht nur des Menschen wahres Wesen, sondern metaphysischer Kern der Dinge überhaupt, ist Ding an sich, da der Körper leibgewordener Wille in der Welt als Vorstellung ist. Er ist Objektivation des Willens, d.h. zum Objekt gewordener Wille.
An dieser Stelle erklärt Schopenhauer, dass den verschiedenen Entwicklungsstufen der Erscheinung verschiedene Objektivationsstufen des Willens entsprechen und nährt sich bei dieser Ausführung der Ideenlehre Platons, indem er Entwicklungsschritte in der Welt als Vorstellung nicht mit Einzeldingen, sondern mit deren Urbildern, mit Ideen, gleichsetzt.


Principium individuationis (Prinzip der Individuation)

Der ursprünglich einheitliche Wille objektiviert sich also in der Welt der Vorstellung, verliert also an Einheitlichkeit und partikularisiert sich in Raum und Zeit. Der Wille tritt in die Welt der Erscheinungen und zersplittet somit räumlich und zeitlich. Der triviale Grund hierfür ist, dass nicht jeder das Gleiche will und der Wille deshalb in einen Widerspruch zwischen den Einzelwillen gerät.
Diese Tatsache führt unweigerlich zu dem Resultat, dass das Leben des Einzelnen mit Leid verbunden ist, da eine stärkere Bejahung des einen -, zu einem größeren Leid des anderen Willens führt.
Über diesen Weg kommt Schopenhauer zu einer radikalen Mitleidsethik, die aufgrund von Empathie und Mitgefühl den anderen gegenüber die Verneinung des Willens zum Leben fordert. Die Prämisse der Negation zum eigenen Leben findet ihr Fundament also im Mitleid, das mit der Feststellung einhergeht, dass durch das Prinzip der Individuation, der Andere zwar raumzeitlich verschieden von einem selber, aber jenseits der Welt als Vorstellung, identisch ist.
Der einzelne Wille hat also teil am Ur-Willen und ist Bestandteil von ihm.




Ich habe das Lebenswerk von Schopenhauer gelesen und es hat mich so sehr fasziniert, dass ich mehrere Abhandlungen und diese klitzekleine Zusammenfassung schreiben musste!
Hat nicht direkt was mit Entheogenen zu tun, bzw. ist nicht entheogenbeeinflusst, aber dennoch meine ich viele Parallelen zu erkennen, besonders das angesprochene 'sich selbst betrachten' und ein das Bestehen einer Außenwelt, in der der Mensch mehr oder weniger gefangen ist!

siehe dazu auch einen alten Text von mir, den ich vor längerer Zeit mal gepostet habe:
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Der Beitrag wurde bearbeitet von Zarathustra am Jan 31 2006, 15:39 Uhr.
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post Jan 31 2006, 16:21
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Grünschnabel


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hi

ich finde den text sehr interesant.
vielen dank das du dir die mühe gemacht hast.
hab zwar grade nicht komplet alles nachvollziehen können (bin aber auch scheiße müde)

aufjedenfall hast du mich grad dazu gebracht bücher von schoppenhauer ab jetzt auf meiner liste der zulesenden bücher zu sezten.

mfg mushroom

Der Beitrag wurde bearbeitet von mr.mushroom am Jan 31 2006, 16:21 Uhr.
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post Feb 1 2006, 15:44
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Salvia Kenner
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Hallo Zarathustra, deine Zusammenfassung habe ich mit Freuden gelesen. Studierst du Philosophie oder machst du das aus freien Stücken? Was Schopenhauer selbst angeht so finde ich viele seiner Ansichten revolutionär und viele andere wiederum schrecklich arrogant und dümmlich (Die Kunst, mit Frauen umzugehen zB.), er war ein Visionär und ein Arschloch ohne gleichen in einer Person. Aber gerade seine Arbeiten hinsichtlich Kausalität und Bewußtsein üben eine unglaubliche Anziehung auf mich aus. Ich bin etwas ins Stocken geraten, ich habe mich daran versucht Stoff für ein eigenes komplettes Bewußtseinsmodell zusammenzuschreiben aber es ist nicht einfach und doch bin ich zu Schlußfolgerungen gekommen die lesenswert wären. Ich bin der Auffassung der Mensch sollte sich immer mit dem auseinandersetzen was er hat, nicht mit dem was er nicht hat, Philosophie ist etwas wunderschönes und doch ist es oft sehr einseitig und entbehrt jeglichen praktischen Nutzen, eine Mischung aus Philosophie (der Rahmen), Informatik (die Logik) und Wissenschaft (die Konsequenz) würde einiges verändern.
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post Feb 1 2006, 17:49
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"Diese Tatsache führt unweigerlich zu dem Resultat, dass das Leben des Einzelnen mit Leid verbunden ist, da eine stärkere Bejahung des einen -, zu einem größeren Leid des anderen Willens führt."

das stimmt nur wenn sich 2 unterschiedliche willen nicht aus dem weg gehen können oder sogar die konfrontation suchen, aber in einem universum das unendlich groß ist und sogar noch wächst muss das nicht so sein.
leider ist der spielraum oft begrenzt, so dass es zu konfrontationen kommt, aber das macht auch den reiß des da seins aus (teilweise zumindest).

deshalb gibt es )für mich( auch keine gerechtigkeit.
wenn jemand seinen willen durchsetzen kann, auch wenn dieser durch und durch falsch ist, so gibt es keine gerechtigkeit, auch wenn das "schicksaal" versucht es wieder auszubügeln und dadurch alles noch schlimmer macht.
wenn man aber der vernünftigen ansicht ist dass alles eins war und alles wieder zum einen zurückkehren wird, so ist alles gerecht.
ob das einem "normaldenkenden" menschen in unserer welt aber hilf ist sehr fraglich...

Der Beitrag wurde bearbeitet von The Great Salvini am Feb 1 2006, 17:51 Uhr.


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post Feb 1 2006, 18:27
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QUOTE(The Great Salvini @ Feb 1 2006, 17:49)
wenn jemand seinen willen durchsetzen kann, auch wenn dieser durch und durch falsch ist, so gibt es keine gerechtigkeit

Da würde ich dir widersprechen, Gerechtigkeit ist ein dehnbarer Begriff, du erachtest die Umstände als unrecht weil all unser Verständnis an einen gesellschaftlichen Kontext geknüpft ist. Außerhalb jeglicher Perspektiven gibt es Gerechtigkeit. Ist die Evolution gerecht? Im universellen Sinne: ja. Der Mensch erhob sich einst über die Prinzipien der natürlichen Evolution um daraufhin seine eigene, mechanische und soziale Form der Evolution zu schaffen (Staat, Staatsordnung, Gesellschaft), es haben sich nur Rahmenbedingungen und Attribute geändert, der zugrundeliegende Kern ist verblieben. Der Konvergenz getreu bringt sich jeder Evolutionsstrang selbst zu Fall, sollte er falsche Wege einschlagen haben (Bsp. Kapitalismus: Zinsen, Überproduktion, Automatisierung und Ausbeute anderer Staaten bzw. der eigenen Bevölkerung werden unumgänglich zum Kollaps führen). All der Hass, all die Zerstörung sind außerhalb jeder Perspektive 'Gerecht', da sie, im laufe der Zeit, unserer Mechanik die Feinmotorik verleihen. Im Universellen Sinn gibt es kein 'ich', so ungerecht es auch scheinen mag, 'Menschlichkeit' ist keine natürliche Prämisse. Hat man diese einfachen Sachverhalte erst verdaut kann es einem sehr Wohl helfen, es muß nicht unweigerlich zu Hoffnungslosigkeit und Apathie führen.

Der Beitrag wurde bearbeitet von themoles am Feb 1 2006, 18:30 Uhr.
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post Feb 2 2006, 21:34
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mag was dran sein an dem was du sagst, aber ist mir etwas zu totalistisch.
ich mag meine individualität und bin nicht bereit sie aufzugeben.
unsere ethik und moral haben sich ja nicht einfach so entwickelt, sondern haben kausalen zusammenhang mit fast allen gestzmäßigkeiten, die universell gelten.
so kann man sagen, dass die gerechtigkeit die du ansprichst deckungsgleich
mit der unseren sein könnte (mann weiß ja nie)


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post Feb 13 2006, 21:16
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Versteh ich nich... sad.gif

Kann mir vielleicht jemand die Begriffe "Subjekt" im Gegensatz zu "Objekt" und "Erscheinung" im Gegensatz zu "Erscheinendem" noch einmal erklären? Damit wäre mir sicher weitergeholfen smile.gif


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Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war,
Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar,
Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht,
Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht.

Mephistopheles, Goethes Faust
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post Mar 16 2006, 08:06
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Salvia Kenner
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Also sprach Zarathustra...(so nebenbei:is ein echt gutes Buch von Nitsche)

Sehr schöne Zuasammenfassung.Hat Spaß gemacht zu lesen.


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Aldous Huxley
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