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> Sommerzeit Ist Eiszeit, Ein kleinerAusflug in die Eisherstellung

hogie
post Jul 21 2006, 13:22
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Speiseeis ist ein sehr beliebtes, schmackhaftes Nahrungsmittel, das nicht nur bei Kindern ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Damit dies auch ein Genuß ohne Reue bleibt, sollte man ein wenig mehr über die Eisherstellung wissen. Nun bei uns Deutschen ist natürlich fast alles durch Gesetze und Verordnungen vorgeschrieben. Vieles, was Sinn macht, um den Verbraucher vor Betrug und Erkrankungen zu schützen, aber auch viel Unsinn, etwa weil etwas mal vor Jahrzehnten festgeschrieben wurde und vieles einfach so bleibt, wie es ist. So ist es z.B Vorschrift, dass Zitroneneis mindestens zu 10% Zitronensaft oder Fruchtmark enthalten muß. Kein Wunder, dass man es nur mit Tricks, viel Zucker oder Säureregulatoren schafft, ein Zitroneneis herzustellen, das diese Vorgabe erfüllt ohne dass sich beim Verzehr das typische Zitronengesicht einstellt ;-)

Was vielen nicht bewußt ist, ist dass die Eisherstellung von fast allen Lebensmitteln die höchsten Anforderungen an die Lebensmittelhygiene stellt, die von vielen Eisdielen gar nicht eingehalten werden (können). Da die Margen bei der eigenen Eisherstellung gigantisch sind, gibt es fast kein Eiscafe, das sein nicht selbst auf traditionelle Weise Eis herstellt. Die teuerste Eissorte kostet in der Herstellung etwa 5 cent pro Kugel und geht für 70cent oder oft noch mehr über die Eistheke, wofür man als Kunde erwarten kann, dass es nicht nur geschmacklich optimal ist sondern auch über eine hervorragende Konsistenz verfügt und vor allem so sicher ist, dass man nicht nach dessen Verzehr noch mit einer saftigen Lebensmittelvergiftung rechnen muß.

Leider kommt dies immer wieder vor und jede Lebensmittelvergiftung ist ganz einfach eine zuviel, auch wenn sie meistens mit Erbrechen und Durchfall eher harmlos verläuft und oft als Magengrippe abgetan wird. Da die Inkubationszeit bei gut 72 Stunden liegen kann und nicht bei jedem zuschlagen muß, der die kontaminierte Speisen gegessen hat, ist die Dunkelziffer nahe 100%. Daher hört man nur gelegentlich von der absoluten Spitze des Eisbergs, wenn mal wieder massenweise Erkrankte in der Notaufnahme der Kliniken aufgefallen sind. Nicht lebensgefährliche Einzelfälle tauchen daher in keiner Statistik auf. Aber gerade die sind alltäglich und nehmen das eigentliche Volumen des Eisbergs ein. Der Wirtschaftskontrolldienst, der die Eisbuden kontrolliert, nimmt auch immer wieder Proben, die einer bakteriologischen Untersuchung unterzogen werden. Dabei werden Keimzahlen von mehr als 100 000 Keimen pro Gramm (!) Speiseeis beanstandet. Von den untersuchten Proben aus den Eisdielen überschreiten etwa 20% der Proben diesen Wert. Komischerweise ist das industriell gefertigte Eis in unseren Supermärkten clean. Die Nahrungsmittelkonzerne zeigen es, dass es wirklich möglich ist, sauberes Eis herzustellen. Falls hier mal Beanstandungen auftreten, so sind diese fast zu 100% auf Schluderei beim Transport und bei der Lagerung durch Unterbrechung der Kühlkette zurückzuführen.

Bei der Eisherstellung wird zuerst ein flüssiger Eismix hergestellt, der dann in einer Eismaschine (meist Vertikalfreezer) unter ständigem Rühren zu Eis gefroren wird:

http://www.carpigiani.com/de/artigianale.htm

Unverzichtbar für die Herstellung von Speiseeis sind (harmlose) Bindemittel wie z.B. Johannisbrotkernmehl/Guarmehl. Diese brauchen allerdings einige Stunden Reifezeit um zu quellen und ihre Wirkung zu entfalten. Riesenproblem ist, dass der flüssige Eismix ein ganz hervorragender Nährboden für unweigerlich eingebrachte Keime ist. Und daß es klar ist – wir brauchen kein steriles Eis, sondern nur eines, dass eine tolerable Anzahl pathogener Keime enthält, mit dem unser Körper auch ohne Erbrechen und Durchfall klarkommt.

Hier ist bei der Eisherstellung ganz einfach wichtig, dass der Eismix nur über eine minimale Keimbelastung verfügt (man bedenke dass viele Zutaten wie z.B. Nüsse bereits natürlich hoch kontaminiert sind). Dies kann man durch perfekte Hygiene und sofortiges Pasteurisieren des Eismixes erreichen. Danach muß der Eismix blitzschnell abgekühlt werden, damit er bei einer Temperatur nahe null Grad für ein paar Stunden ruhen kann. Bei dieser Temperatur vermehren sich Keime nur sehr langsam. Nach erfolgter Ruhezeit sollte der Eismix sofort in den Freezer und zu Speiseeis verarbeitet werden.

Besonders besorgniserregend ist, dass man einige Eissorten nicht pasteurisieren kann. Das sind z.B. alle fermentierten Milchprodukte wie z.B. Joghurt- und Quarkeis. Auch Fruchteismixe werden oft nicht pasteurisiert.

Daher würde ich im Zweifelsfall Joghurteis als allererstes von meiner persönlichen Eiskarte streichen.

Bei Raumtemperatur geht man von einer Verdoppelung der Keimzahl innerhalb 20 Minuten aus. So entstehen aus dem Eismix schnell gefährliche Mixturen. Hat ein eisherstellender Betrieb vielleicht sogar einen Salmonellenausscheider in der Belegsachaft, dann gute n8.

Ein Praxistest für Eiscafés

Ein bislang äußerst erfolgreicher Test für die geschmackliche Qualität von Eiscafés lässt sich ziemlich optimal mit 2 Kugeln Eis abchecken. Eine Kugel Vanille und einer Kugel Maracuja für Fruchteis.

Vanille ist insofern optimal, weil es nichts ausgefallenes ist. Wer dieses weit verbreitete Standardeis nicht wirklich optimal hinbekommt, muß wirklich richtig schlecht sein.

Maracuja deshalb, weil es eine exotische und immer noch teuere Frucht mit charaktereisischem Geschmack ist, für die es bislang keine idealen Pulver oder künstlichen Aromen gibt, wie man nach Methode dumm, geizig und billig genießbares Eis herstellen kann. Man braucht Früchte und/oder Fruchtsaft oder Fruchtmark als Ausgangsbasis und bekommt dann mit viel Geschick ein Fruchteis, das nach Maracuja und nicht nach Brausepulver schmeckt.


Die Praxis der Eisrezepturen:


Was mich bei der Recherche um das Geheimnis von Eisrezepturen ziemlich verblüfft hat, ist, dass praktisch alle funktionierenden Eisrezepte ganz einfachen Gesetzmäßigkeiten gehorchen:

Der Wassergehalt liegt zwischen 61 und 65 %. Der Gehalt an Trockenmasse (incl. Fett) liegt dann folglich zwischen 35 und 39%

Weiter aufgeschlüsselt, orientiert an der Gesamtmassse:

Der optimale Fettgehalt liegt bei 6-8% (mind. 3% max. 14%)
Gesamtzuckergehalt bei Milcheis 17-19%
Gesamtzuckergehalt bei Fruchteis bis 33% (sehr süss, z.B nach altem ital. 1:1:1-Rezept/Früchte/Zucker/Wasser)

Sollte es bei der Lagerung zu einem Auskristallisieren von Milchzucker kommen, so macht er das Eis ungenießbar. Kristallisierter Milchzucker hat eine sandige Konsistenz und schmilzt im Gegensatz zu Eiskristallen nicht beim Verzehr. Hinweise auf gefährdete Rezepturen sieht man an der Milchtrockenmasse. Der Anteil an Magermilchpulver sollte 11.5% nicht übersteigen.

Dadurch wird schnell klar, dass eine Variation von Rezepten mit dem vorherigen Griff zum Taschenrechner oder einer Excel-Tabelle hilft, Misserfolge zu vermeiden.

Will man nun zum Beispiel ausgehend von einer perfekten Rezeptur ein Eis haben, das weniger süß schmeckt, so darf man nicht wie beim Kuchenbacken einfach die Hälfte Zucker weglassen, sondern muß das fehlende Trockengewicht durch andere Zutaten ersetzen. Ein korrekter Ansatz wäre z.B. Kristallzucker durch Glucose zu ersetzen, die weniger süß schmeckt. Man merkt auch schnell, dass man sich hier ruckzuck in eine Sackgasse manövriert, wenn man nicht ein paar Joker zur Verfügung hat. Hier kommen dann Füllstoffe ins Spiel, von denen der Laie meint, sie seien nur zum Strecken des Nahrungsmittels erfunden worden. Bei Eis spielt hier Magermilchpulver eine ganz elementare Rolle. Doch auch dies geht nur innerhalb gewisser Grenzen. Für Magermilchpulver liegt diese bei einem Maximum von etwa 11.5%

Wie man nun beispielsweise das Fett in die Rezeptur bekommt (z.B. 7%) ist primär völlig egal. Milchfett bekommt man am billigten durch Sahne hinein (0.57cent/g), ansonsten durch Vollmilch (1.5cent/g) weniger preiswert durch fettarme Milch (3.2cent/g Milchfett). Auch Butter wäre denkbar, jedoch ist das Fett sehr viel schwieriger homogen in den Eismix zu bekommen.

Der teilweise Ersatz von Zucker durch Dextrose ist bei Milcheis überaus empfehlenswert, da das Eis dadurch eine cremigere Konsistenz bekommt, ohne das Eis zu stark zu süßen. Ganz besonders Sorten, die schon von Haus aus einen sehr hohen Anteil an Trockenmasse mitbringen (z.B. Haselnuß, Schokolade) profitieren davon und neigen dann nicht mehr zum Trocknen und Krümeln. Dextrose gehört daher in jedes Milcheis, maximal aber 25% des Gesamtzuckergehaltes.

Bindemittel bis 5g/1kg Eismix (Höchstwerte einzelner Bindemittel beachten, sofern gewerbliche Verwendung interessant ist). Diese Mengenangabe betrifft reine Bindemittel. Da Eis vorwiegend von Doofies hergestellt wird, hat die Industrie auch hier längst eine Marktlücke entdeckt und verkauft diese als gestreckte teuere Eisbasisprodukte, die durch das größere Volumen einfacher abzuwiegen und zu verarbeiten sind. Diese "verdünnten" Produkte (meist mit Magermilchpulver oder Dextrose) werden dann meist mit 20-50g/kg dosiert.

Bindemittel und evtl. Emulgatoren sind für eine hervorragende Eisqualität, Mouthfeel und Verlangsamung der Kristallbildung bei der Lagerung unverzichtbar. Man bedenke, dass bei alten Rezepten, als dieses Zeug angeblich noch verzichtbar war, fast ausschließlich hoher Anteil an Eiern genau diese Funktion in der Rezeptur übernahm. Doch heute sind unpasteurisierte und nach deutschem Lebensmittelrecht unbestrahlte Eier wegen der erheblichen Salmonellengefahr die weit schmutzigere und unerwünschtere Zutat.

Für erste Experimente eignet sich ein 1:1-Gemisch aus Johannisbrotkernmehl und Guarmehl. Verwendet man reine Bindemittel, so hat man im Gegensatz zu den Basisprodukten kein Problem mit evtl. enthaltenem Magermilchpulver bei Fruchteis.
Speziell für Fruchteis ist auch Agar-Agar ganz hervorragend geeignet (max 0.16%), geht aber erst beim Erhitzen vollständig in Lösung und entfaltet dann erst dann seine ganze Bindekraft. Zu beachten ist auch die Quellzeit, die die Bindemittel benötigen. Eine lange Quellzeit ist eine sehr kritische Phase für die Keimvermehrung. Als Faustregel geht man bei Raumtemperatur von einer Keimverdoppelung innerhalb 20 Minuten aus. Daher hat ggf. eine längere Reifung bei möglichst niedriger Temperatur nahe 0 Grad zu erfolgen. Und keine Panik, daß der Eismix dabei schon einfriert. Das tut er ohnehin erst bei etwa -4 Grad.

Auch Xanthan ist ganz hervorragend geeignet, jedoch für die gewebliche Speiseeisbereitung trotz seiner Unbedenklichkeit und massive Verwendung in anderen Lebensmitteln (Salatsoßen, Ketchup) bislang nicht zugelassen. Auch die angegebenen Höchstmengen für Bindemittel darf man für eigene Experimente nicht für bare Münze nehmen, da sie nur für Speiseeis, jedoch nicht für Pudding gelten. Ein empfohlerner Stabilisatormix mit Xanthan liegt bei 2..8% Xanthan und 98..92% Guarkernmehl.

Natürlich haben die Vorschriften für gewerbliche Anwendung durchaus einen Sinn, denn sie sollen eine gewisse Qualität für den Verbraucher sicherstellen. Da im gewerblichen Bereich die Absicht der Kostenoptimierung des Eises die entscheidende Rolle spielt, macht es hier durchaus Sinn, Maßstäbe anzusetzen, die weit über einer normalen Vernunftschwelle liegen. Einfach, um möglichst viele Freiräume zur Kostenoptimierung zum Schaden der Verbraucher auszuschließen. Obwohl die Deklarations- und Vorschriftenwust in D. fast galaktische Formen angenommen hat, hat man es bis heute noch nicht geschafft, ein MHD für eine Eis-Fertigverpackung vorzuschreiben. So kann es passieren, dass man an einer Tankstelle ein Eis am Stiel kauft, das trotz aller Misshandlung, Lösungsmittelbelastung und erlittener Temperaturschwankungen auch gleich noch ein paar Jahre alt ist, weil die Truhe immer rechtzeitig nachgefüllt wurde und ältere Ware liegen blieb.

Der nächste Punkt nach der korrekten Rezeptur ist die korrekte Verarbeitung der Eismasse. Ein Hygienestandard der zum Kuchenbacken perfekt und sicher ist, ist für die Speiseeisherstellung u.a.S. (unter aller Sau)

So verblüfft es nicht sonderlich, dass die Keimbelastung im Speiseeis bei Kontrollen oft unglaublich hoch ist. Selbst die zulässigen Grenzwerte klingen für den Verbraucher schon alles andere als appettitlich: und die sind nach den mir bislang vorliegenden Informationen noch völlig uneinheitlich geregelt: Keimzahl 100000/g, jedoch kein E.coli in 1g (Richtwerte Bawü 1971), Grenzwerte 300000/g, E.coli max. 10/g.

Es geht also nicht wirklich um die fast utopische Idee, mikrobiologisch steriles Eis herzustellen, denn mit den üblichen Herstellungsverfahren ist das völlig ausgeschlossen. Auch wenn man den Eismix pasteurisiert, schockkühlt und die Eismaschine vor dem Befüllen mit geeigneten Desinfektionsmitteln desinfiziert.

Unser Speiseeis gefriert erst bei etwa -4 Grad und hat für die Portionierung und den Verzehr eine ideale Temperatur von -8 bis -10 Grad.

Auch Temperaturen von unter -18 Grad, lassen nur eine weitere Keimvermehrung zum Stillstand kommen, wird das Eis aber wärmer, so geht die Keimvermehrung wieder weiter. Daher sollte das Eis möglichst schnell verzehrt werden und nur geringe Zeit in den Kühlvitrinen verbringen.

Verwendet als Ausgangsprodukt z.B. H-Milch, die für eine Sekunde bei 135 Grad ultrahocherhitzt wurde, so kann man sich hiermit sicher fühlen. Wer nun an alte Eisrezepte mit "frischen" rohen Eiern denkt, dem darf schon beim Daran-Denken schlecht werden.
Viele Zutaten, an die man aber oft nicht in erster Linie denkt, sind in aller Regel bereits hoch kontaminiert (z.B. Haselnüsse, Kakao). Daher ist eine Pasteurisierung der Eismasse vor dem Gefrieren in den meisten Fällen unverzichtbar. Geschmacklich qualitätsmindernd kann sich das Pasteurisieren allenfalls bei Fruchteis und Joghurt-/Quarkeis (fermentierte Milchprodukte) auswirken. Deutlich weniger keimanfällig sind nur sehr saure Frucheismixe mit einem pH-Wert unter 4,5. Schokoladeneis gewinnt sogar deutlich an Qualität durch die Pasteurisierung, weil das Kakaopulver erst bei hohen Temperaturen über 90 Grad richtig in Lösung geht. Nach dem Pasteurisieren ist der warme Temperaturbereich möglichst schnell zu durchschreiten. Soweit Ruhezeiten der Eismasse zum besseren Quellen der Bindemittel zu erfolgen hat, geschieht dies nach schnellstem Abkühlen bei einer Temperatur von maximal +4..+6 Grad. Man bedenke, daß Speiseeis bei etwa -4 Grad gefriert und auch bei dieser Temperatur bereits wieder auftaut.

Wir lesen die Vorschriften zur gewerblichen Speiseeisherstellung und versuchen sie zu verstehen, sind ja aber für unser privates Eisvergnügen nicht gezwungen, uns daran zu halten. So wurden in D. natürlich Gesetze und Vorschriften zum Schutz des Verbrauchers erlassen, dessen Vorschriften ich teilweise für überholt ansehen möchte.
Ob man für seine Rezeptur von Zitroneneis nun einen Mindestgehalt von 10% Fruchsaft oder Fruchtmark einhält oder ob es einem schlicht schon zu sauer schmeckt, bleibt einem ja selbst überlassen. Anstelle das Übermaß an natürlicher Fruchtsäure mit Säureregulatoren zu bändigen, läge ja auch Möglichkeit nahe, einfach weniger Zitronensaft oder Fruchtmark zu verwenden.

Wenn man nun für die ersten Anfänge die ersten Eisrezepte und das Know-How über eine angemessen sichere Verarbeitung hat, kann man sich an die ersten praktischen Gehversuche mit der Eismaschine wagen. Man sollte bereits über ein ausgedehntes theoretisches Wissen verfügen, da sonst Fehlschläge vorprogrammiert sind und einem gleich den Spaß daran vermiesen. Die meisten Fehlschläge lassen sich bereits durch Beachten dieser Zeilen vermeiden. Wenn man sich exakt an eine Rezeptur eines bereits bewährten Eismixes hält und die Mengen auf das ideale Füllvolumen der Eismaschine umrechnet, liegt man für erste Gehversuche schon mal im grünen Bereich.
Haupt-Anfängerfehler ist, dass oft wichtige Zutaten der getesteten Eisrezepturen mangels der Beschaffungsproblematik einfach weggelassen werden (v.a. Bindemittel, Dextrose und Füllstoffe) und eine Rezeptur schon von vorneherein aufgrund ihrer groben Zusammensetzung (Verhältnis Wassergehalt/Trockenmasse) gar nicht gelingen kann. Die Ansatzmenge des Eismixes für eine Befüllung der Eismaschine sollte mit der vom Hersteller angegebenen Idealfüllmenge erfolgen. Rezepte sind ggf. auf diese Menge umzurechnen. Gerade für Experimente sollte man der Versuchung widerstehen, nur Eismix-Ansatzmengen von 20% der Befüllungsmenge der Eismaschine machen, denn solche Experimente sind zum Scheitern verurteilt. Selbst Profimaschinen für 20.000 EUR verfügen über keine geeignete Leistungsregelung der Kälteanlage, weshalb das Eis bei zu geringer Menge viel zu schnell gefrieren würde- ein Fehlschlag wäre vorprogrammiert. Ebenso ist es wichtig, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, wenn das Eis gefroren ist und die ideale Konsistenz hat. Was vielleicht für die Herstellung von Schokolade gilt, lässt sich nicht auf die Eisherstellung übertragen. Rührt man es ewig weiter, so wird seine Konsistenz irgendwann nicht mehr besser, sondern es verliert seine Bindung. Der Eisfachmann sagt, es "verbrennt".

Hauptsächlich abhängig von der Technik der Eismaschine erhält man von 1kg Eismix ein erheblich höheres Volumen an Speiseeis. Der Fachmann nennt dies Overrun. Bei den einfachen Vertikalmaschinen ist mit 20-25% Overrun zu rechnen. Gerade in der gewerblichen Eisherstellung versucht man den Overrun natürlich aufs Maximale zu erhöhen (Softeis ca. 80%, Industrieproduktion bis 180%), weil Luft immer noch die allerbilligste Zutat ist. Im privaten Bereich sind 20% völlig ausreichend, da solches Eis die Tendenz zu höherer Stabilität und Lagerfähigkeit hat.

Relativ schwierig für den privaten Kleinverbraucher ist immer noch die günstige Beschaffung etwas unorthodoxer Zutaten: Magermilchpulver, Guarmehl, Johannisbrotkernmehl, Dextrose, Zitronensäure geht ja noch, aber wenn man Glukosesirup oder Trockenglucose sucht, so wird es verdammt schwierig.

Alkohol ist für einige Eissorten Rum/Malaga/Eierlikör/Amaretto usw. eine Interessante Zutat.

Bis 0.5% Ethanol beeinflussen die Konsistenz nicht
Ab 1% bemerkt man eine deutliche Erniedrigung des Gefrierpunkts mit der Gefahr, dass der Eismix nicht mehr richtig gefriert und eine zu flüssige Konsistenz behält
Ab 3% denaturiert Ethanol Proteine, wodurch eine Emulsion an Stabilität einbüßt

-> die Zugabe von Ethanol erfolgt grundsätzlich erst kurz bevor der Eismix ausgefroren ist. Vorher hätte er die Chance, sich zu verdünnisieren oder dafür zu sorgen, dass der Eismix evtl. gar nicht ausfriert.

Einen Ethanolgehalt in der Größenordnung von 1% muß man daher bei der Rezeptur bereits elementar berücksichtigen.

Also erstmal vorab soviel zur eisigen Theorie....

© by hogie
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post Jul 22 2006, 02:28
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Salvia Fan
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Huhu,

wow was für ein Text und soviel infos über ein Thema, über das man ja eigentlich garnicht soviel nachdenkt smile.gif
und dann noch so korrekt geschrieben, mit schöner Einleitung und guten Formulierungen .
also respekt, cooler Post
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post Jul 22 2006, 12:22
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Grandmaster Norris
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obwohl ich mit dem großteil nicht wiklich viel anfangen konnte (beispielsweise irgendwelche prozentangaben der bindemittel), war doch schon einiges interessantes dabei. Man merkt die kompetenz auf jedenfall.


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QUOTE(painlezzjr @ Nov 26 2006, 03:28)
und das is der grund warum es heir keinen normalen spamthread gibt...
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post Jul 23 2006, 20:52
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Spiderpig
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Was bitte hat dich dazu gebracht solch ein Text zu schreiben?
Wird das ne Docktorarbeit oder hast du langeweile?

What ever
Es ist bezaubernd wie du völlig uninteresante Fakten und Inhalte präsentieren kanst, so das man sie wirklich mit interesse liest. Bild: http://pics.ebaystatic.com/aw/pics/check_14x16.gif


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post Jul 23 2006, 20:58
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Salvia Kenner
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in indien gibts grünes eis mit ganja cwy.png


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Philip K. Dick
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hogie
post Jul 23 2006, 21:13
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QUOTE(Dingo @ Jul 23 2006, 21:52)
Was bitte hat dich dazu gebracht solch ein Text zu schreiben?
Wird das ne Docktorarbeit oder hast du langeweile?

What ever
Es ist bezaubernd wie du völlig uninteresante Fakten und Inhalte präsentieren kanst, so das man sie wirklich mit interesse liest.


Ganz einfach. Jeder von uns wird irgendwann alt und vergesslich, wenn er nicht vorher stirbt. Letzeres habe ich ganz bestimmt nicht vor. Bevor ich einen Freßzettel verfasse, tippe ich das einfach in einen lesbaren ASCII-Text. Den kann ich wenigstens selbst schnell wiederfinden. Um ihn dann zu posten, bedarf es nur weniger Mausklicks.

Übrigens habe ich heute Ketchup für Currywurst hergestellt. Um das Rezept zu posten, bedarf es nur einem Copy&Paste:

Kürzlich hatte ich ein Würzketchup einer Aldi-Aktion gekauft, dass extremst süß war. In der ersten Sekunde beim Verkosten dachte ich bähhhhh. Der erste Eindruck war total abschreckend, jedoch war die Flasche ruckzuck leer. Also muß das Zeug doch geschmeckt haben.

Heute habe ich versucht, eine vergleichbare Soße nachzukochen:

Ansatz Curry-Würzketchup, standardisiert

25g Sauerbratengewürz Fuchs
(Senfkörner, Dillsaat,Zwiebeln, Coriander, Zimt, Pfeffer, Nelken, Piment, Lorbeer) exakte Zusammensetzung ist weniger wichtig
mit ca. 250ml Wasser aufkochen und ca. 20 min ziehen lassen, abseihen, auf 200ml Volumen auffüllen
500ml passierte Tomaten
12g stabil. Stammlösung Acesulfam K 5% (bzw. 600mg E950, rein)
15g Essigessenz 25%
2.5g Zuckerkulör
10g Citronensäure
2g Salz
18g Kartoffelmehl
22g Curry
500mg Pfeffer, schwarz, feinst gemahlen
1g Knoblauchpulver


Anmerkungen für den nächsten Ansatz:

Eventuell etwas weniger Essig nehmen, ggf. ein Hauch Oregano. Die Konsistenz lässt sich noch nicht abschließend beurteilen. Evtl noch ein wenig mehr verdicken, evtl einen Teil Kartoffelmehl durch Johannisbrotkernmehl ersetzen. Der Süßstoffgehalt entspricht 120g Zucker. Ggf. mehr Sauerbratengewürz nehmen oder anschließend auspressen. Chilipulver oder Glutamat hat sich testweise nachteilig ausgewirkt. Das Zuckerkulör macht sich sehr gut, weil durch das viele Curry eine unnatürlich gelb/grünlicher Farbton das hübsche rot versaut. Das Currypulver quillt auf, daher es ggf. vorher feiner zermahlen (Mixer).


Bild: http://img358.imageshack.us/img358/6396/curryketchupmq9.jpg
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post Jul 23 2006, 22:27
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Salvia Kenner
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lol Currywurst, das erinnert mich an das letzte mal Curriwurst in Deutschland.. Ich steh da so, ess meine Currywurst und dann kommt ein Herr, drückt anscheinend mit voller Kraft auf den Senfspender und spritzt sich das ganze Hemd voll Senf. Sorry, das musste ich da grad mal loswerden tongue.gif

Ich finds zwar ungewöhnlich wie hogie das macht und uns immer wieder solche Posts bescheert, aber ich finds immer wieder toll etwas zu lesen wo man sofort merkt das hier der Fachmann seine Erfahrungen preisgibt.


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post May 30 2016, 22:40
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Salvianaut
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Ich grabe mal den Speiseeis-Thread wieder aufs weil wir demnächst mitten im Sommer stehen werden. Bald ist Juni, das ist mit dem Juli zusammen der heißeste Monat bei uns. Im August sind die Temperaturen schon wieder rückläufig und mit den letzten heißen Tagen im August, ist in der Regel der Sommer schon wieder vorbei. cwy.png

So ein Thread, der 10 Jahre alt ist, ist immer besonders witzig. Einerseits hat man Details von vor 10 Jahren schon längst vergessen und findet sie im Thread wieder, anderseits bekommt man Dinge daraus inzwischen noch deutlich besser hin. So auch die Currywurst. Aber hier geht es ja um Speiseeis:

Bei mir ist es meistens so, dass wenn mal was erforscht ist, dann verliert es seinen Reiz. Wie Kleinkind und Spielzeug. Statt jetzt massenweise Eis mit der Eismaschine herzustellen, war für mich das Eisprojekt vor rund 10 Jahren erst mal weitgehend beendet.

Wenn man Eis nicht selbst machen will, ist es eine gute Kombination, wenn man ein industrielles Vanilleeis kauft und mit geeigneten Toppings versieht. So finde ich ein Vanilleeis mit einem richtig guten Erdbeertopping weitaus besser, als ein Erdbeer-Fruchteis. Vorteil ist, wenn fast nur noch eine Eissorte vor hält, hat man mit den unterschiedlichen Toppings schnell viele Varianten und mehr Durchsatz, weil auch angebrochenes industrielles Eis nicht lange bei brauchbarer Qualität haltbar ist. Sobald sich Eiskristalle in der Verpackung bilden, taugt das Eis fast nur noch für Milchshakes, aber nicht mehr für einen Eisbecher.

Bild: http://abload.de/img/erdbeerwixxef2sbf.jpg
Das ist nur Vanilleeis, Sahne und Erdbeertopping. Die Farben sind unbearbeitet von der digitalen Spiegelreflex. So ein Erdbeertopping muss richtig fruchtig nach frischen Erdbeeren schmecken, frisch schmecken und nicht wie Marmelade, eine benetzende, dickflüssige Konsistenz haben, sollte auch auf dem Eis möglichst nicht fest frieren oder gar Eiskristalle bilden. Meine Eisdielen bekommen das jedenfalls nicht so hin. Mit einem Spaghettieis lässt sich das leicht testen. Entweder sie kaufen es, dann schmeckt es wie Erdbeermarmelade oder sie machen es selbst und das Zeug knirscht fast zwischen den Zähnen, weil es auf dem Eis Eiskristalle bildet. Beides geht gar nicht.

Ich werde sicher noch ein paar andere Toppings machen. Habe vorhin eines Espresso-Rahmkaramell erneut gemacht, doch das scheint für die Tonne, weil der letzte Verbesserungsversuch wohl doch keiner war. Sicher ist es nicht ungenießbar, aber wenn das letzte Rezept besser war..., dann redo from start...

Der Beitrag wurde bearbeitet von hogie am May 31 2016, 00:26 Uhr.


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Werd mich heut Nachmittag in eine Eisdiele begeben biggrin.gif

Der Beitrag wurde bearbeitet von Herr von Böde am May 31 2016, 20:50 Uhr.


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QUOTE(Herr von Böde @ May 31 2016, 12:37)
Wer mich heut Nachmittag in eine Eiddiele begeben  biggrin.gif
Davon mache ich nur seltenst Gebrauch. Die Eiscafés haben die Preise pro Kugel inzwischen teils deutlich über 1 Euro hoch gejagt, das ist das Zeug einfach nicht mehr wert.


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post May 31 2016, 20:49
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Ok, aber die Atmosphäre und das "Leute gucken" kauft man ja auch mit ein biggrin.gif

Aber Du hast natürlich schon recht, wenn ich bedenke das ich in meiner Jugend zwischen 60 und 80 Pfennig für ne Kugel bezahlt habe sad.gif

Der Beitrag wurde bearbeitet von Herr von Böde am May 31 2016, 20:52 Uhr.


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post May 31 2016, 21:37
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QUOTE(Herr von Böde @ May 31 2016, 21:49)
Aber Du hast natürlich schon recht, wenn ich bedenke das ich in meiner Jugend zwischen 60 und 80 Pfennig für ne Kugel bezahlt habe  sad.gif
Auch für diesen Preis könnte man heute noch viel Geld verdienen. Eine Kugel Eis kostet in der Herstellung so gut wie nichts und die Zutaten sind in den letzten 20 Jahren kaum teurer geworden.

Gnadenlos an der Preisschraube drehen, funktionierte beim Eis bei uns ganz gut. Denn es gibt nur wenige Eiscafés, die ganzjährig geöffnet haben. Die meisten machen über den Winter dicht und da war es taktisch ganz clever, fast jeden Frühling den Preis pro Kugel um einfach 10 Cent zu erhöhen.

Beim Döner war das viel schwieriger. Da herrscht bei uns aber ein echtes Kartell mit perfekten Preisabsprachen. Das hat auch funktioniert, gab aber durchaus murrende Gesichter, als plötzlich meist an einem Montag zum Betriebsbeginn, die Preise überall erhöht waren. Das gleichzeitig bei allen Geschäften in der Fressmeile. Wer noch keine neuen Preisschilder hatte, hatte sie einfach vorübergehend überklebt. Aber mehr kassiert hatten alle und es war kein einziger zu finden, der nicht mit gemacht hat. Wahrscheinlich wäre ihm sonst demnächst ein großes Unglück widerfahren, sein Laden abgefackelt, seine Frau vergewaltigt oder sein Hund tot gewesen.





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