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> Wintersonnenwende, 'Tripbericht' einer Schwitzhütte

post Jan 16 2014, 22:00
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Salvianaut
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Ist zwar schon ein Weilchen her, aber ich möchte euch gerne von meiner diesjährigen Wintersonnenwende berichten - nachdem ichs in einem Anderen Forum schon gepostet habe soll die SC auch daran teilhaben smile.gif

Gemeinsam mit einem guten Freund wollte ich an einer Schwitzhütte teilnehmen.

Freitag kam er zu mir, Samstag morgen ging es weiter mit dem Zug.
Da das Kaff in dem dieser Endstation hatte noch 20km vom eigentlichen Zielort entfernt lag hatten wir schon vorher einkalkuliert die Reise in die Hände des gnädigen Schicksals zu legen und darauf zu hoffen, das uns jemand noch ein Stück mit nimmt. Nachdem wir noch kurz im nächsten Supermarkt waren dauerte es dann auch keine zwei Minuten bis eine Ältere Dame mit ihrem Enkel neben uns hielt.

Mancher mag ja an Zufälle glauben, aber die Begegnung hatte durchaus etwas magisches an sich. Die Frau wirkte trotz ihrem sichtlich fortgeschrittenen Alter sehr Jung und legte uns ihre Ansichten zum Thema Nächstenliebe dar. Der Junge freute sich über die fremden Gesichter, die Bäume und Felder und schoss Fotos mit seiner Spielzeugkamera - eine geistige Behinderung muss kein Fluch sein...
Die Frau bot an, erst den Kleinen zu seinem Vater zu bringen und uns dann noch schnell in den nächsten Ort zu fahren was wir danken annahmen.
Als wir in die Einfahrt bogen und der Kleine seinen Vater sah ließ er einen Freudenschrei hören und ich dachte mir, wenn jemand sich so sehr freut einen zu sehen kann es nicht viel geben was man im Leben größeres erreichen kann...

Kurz darauf waren wir am Ortsausgang eines Dorfes 10km von unserem Ziel entfernt und verabschiedeten uns von der Dame die uns so großzügig geholfen hatte.
Ein Blick auf Uhr und Karte verriet und, dass wir es gerade noch schaffen könnten und da es laut google-maps einen Weg über Felder und Wälder gab entschieden wir uns gegen weiteres Trampen.
Besagter Waldweg hätte bei den meisten anderen vermutlich zu großer Empörung geführt, weil er Stellenweise nicht mal zu erahnen war - aber uns war es ein richtiger Segen noch ein wenig durch die Natur zu wandern.

Zwei Waldstücke, ein Drof und einen kleinen Berg später kamen wir dann zu dem Ort wo die Zeremonie stattfinden sollte.

Wir verstauten das Gepäck und machten uns mit den Anwesenden bekannt. Nur mein Freund kannte den Schamanen bereits, da er ein halbes Jahr zuvor schon ein mal in der Schwitzhütte war.
Ich half noch ein wenig dabei das Feuer zu errichten und eine Stunde später versammelten sich alle Teilnehmer in einer kleinen Hütte um mit der Zeremonie zu beginnen.

Erst wurde bei Trommelklang ein wenig Gesungen und eine Räucherschale mit Salbei herumgereicht, dann stellten wir uns der Reihe nach noch ein mal vor und jeder hatte Gelegenheit noch ein wenig zu erzählen, was ihn bewogen hat an der Schwitzhütte teilzunehmen. Sehr spannend fand ich wie unterschiedlich die Charaktere und Geschichten waren.
Anschließend erzählte der Schamane vom Mythologischen Zusammenhang der Wintersonnenwende und von der Zeremonie.
Danach wieder Trommeln und Indianische Gesänge, dazu das Flötenspiel einer der Teilnehmerinnen.
Als wir zum Platz zurückkehrten war die Sonne bereits untergegangen.
Ich bekam noch einen kurzen Crashkurs für meine Aufgabe als Feuerhüter und wurde dann noch mal ausgiebig geräuchert, damit ich mich zwischen Feuerstelle und Schwitzhütte frei bewegen konnte, ohne den Fluss der Energien zu stören - alle anderen Sollten darauf achten immer außen herum zu gehen.
Die Steine, die Später in der Schwitzhütte für das 'Schwitz' sorgen sollten wurden einzeln auf die Feuerstelle gelegt. Dabei sollte jeder der einen Stein hinlegte eine Widmung aussprechen
Für Liebe, Für Kraft, Für starke Träume, Für das Loslassen, Für Mutter und Vater... So ging es bis alle Steine an Ort und Stelle waren und die eigentliche Zeremonie beginnen konnte.

Ich rief nacheinander die Geister der vier Himmelsrichtungen an unserer Zeremonie beizuwohnen und zu helfen. Danach dankte ich noch dem Holz und den Steinen und bat letztere keinen von uns zu verletzen.
Jeweils von der Ost- und der Westseite entzündete ich das Feuer, welches quadratisch aufgeschichtet eine Höhe von gut einem halben Meter und eine Fläche von einem m² hatte.
Aufgrund eines Waldbrandes mit dem ich diesen Sommer während einem LSD-Trip zu tun hatte war dies schon eine sehr respekteinflößende Sache, aber zugleich handelte es sich ja um ein magisches Feuer und so wurde es eine sowohl intensive, wie auch heilsame Begegnung...

Während die Flammen sich langsam ausbreiteten wurde wieder Getrommelt und gesungen.

Kleine Flamme, kleine Flamme, zünd mein Feuerholz an.
Kleine Flamme, kleine Flamme, zünd mein Feuerholz an.
Feuergeist singe, Feuergeist tanze, Feuergeist du bist mein.
Feuergeist singe, Feuergeist tanze, Feuergeist ich bin dein.
...

Gut eine Stunde dauerte es bis die Steine ausreichend erhitzt waren.
Während dessen wurde gesungen und getanzt, Geschichten ausgetauscht und geschwiegen...

Als es so weit war legten diejenigen die in die Schwitzhütte gehen würden ihre Kleider ab. Der Reihe nach stellten sie sich vor der Schwitzhütte auf und bekamen noch einen Segen vom Schamanen ehe sie die Hütte im Uhrzeigersinn betraten, zuletzt der Schamane selbst.

Für die erste Runde sollte ich 13 Steine bringen, die ich mittels einer Heugabel transportierte. Die in verschiedenen Farben glühenden Steine wurden in ein Loch in der Mitte gelegt, ein paar Kräuter zum räuchern darauf gegeben und zuletzt gab ich den Eimer mit dem Wasser für die Ausgüsse hinein, dann wurde die 'Tür' geschlossen und ich richtete das Feuer wieder her.

Es war eine seltsame Mischung aus der Fürsorge die ich dem Feuer widmete, den Worten die Zwischendurch aus der Hütte zu mir drangen und den Zeiten wo ich mich davor setzte um zu Meditieren. Ein Gefühl geborgener Einsamkeit, der Abgeschiedenheit und zugleich der Gemeinschaft. Tun und sein, denken, handeln, meditieren.
Das Feuer war regelrecht gesprächig - ich wusste immer genau wo die Scheite gebraucht wurden, wie ich sie schichten musste und die Steine zurechrücken...

Die Zeremonie ging über insgesamt vier Runden und schließlich kamen alle der Reihe nach wieder hinaus, zogen sich an, oder vielen wie sie waren ins Gras, redeten, schwiegen, lachten, weinten...

Nun war ich an der Reihe - zum nachschwitzen legte ich meine Kleider ab und betrat die Schwitzhütte. Der Schamane würde in der Nähe bleiben und mir alles geben was ich brauchte.
Sechs Steine und etwas Salbei zum räuchern, dann schloss er die Tür und ich begann meine Meditation im Bauch von Mutter Erde.
Erst dachte ich, dass gar nicht mehr viel passieren würde. Ich war in einer seltsamen Stimmung zwischen Ruhe, Rastlosigkeit, Ziellosigkeit und Trauer, da mir die ganze Zeit viele Gedanken gemacht hatte und auch einige Themen die mir vorher nie in den Sinn gekommen waren durch meinen Kopf schwirrten.
Dann wurde es langsam warm und immer mehr begann ich die mächtigen Energieen um mich herum wahrzunehmen. Ich betete, meditierte, goss Wasser auf die Steine und es wurde dunkel... Um wirklich zu beschreiben, wie is mir in der Hütte ergangen ist reicht menschliche Sprache nicht aus.
Irgendwann spürte ich dass es an der Zeit war, wieder hinaus zu gehen und kroch wie ein Regenwurm durch die Tür nach draußen.
Obwohl ich gefühlt kaum eine halbe Stunde in der Hütte war sage mein Freund mir später dass es gut anderthalb Stunden waren.
Nach einigen Minuten in denen ich einfach im kühlen Gras lag suchte ich meine Sachen zusammen und ging anschließend wieder in die Hütte, wo einige der Anderen noch zusammensaßen, sich unterhielten und aßen.
Auch ich genehmigte mir ein Nachtmahl und tauschte mich mit meinem Freund über das erlebte aus. Nach einer Weile legten wir uns schlafen und als ich endlich eingeschlafen war träumte ich mit nie gekannter Intensität...

Am nächsten Morgen trafen wir uns in der Hütte wieder und frühstückten.
Anschließend gab es noch mal eine Rederunde in der jeder berichten konnte was in ihm vorging.
Man sah jedem einzelnen im Gesicht an, wie seine Reise verlaufen war. Mancher wirkte frisch und wie neu geboren, anderen waren große Strapazen anzusehen und dies fand sich auch in den Erzählungen wieder und jeder einzelne von uns hatte wie es schien genau die 'richtige' Erfahrung gemacht.

Nachdem der Platz der Schwitzhütte wieder aufgeräumt war und alle Habseligkeiten wieder verstaut fuhren wir mit einem der Teilnehmer zum nächsten Bahnhof und kamen auch an dem Ort vorbei wo wir Tags zuvor losmarschiert waren. Im Auto wirkte die Strecke wesentlich länger biggrin.gif

Die Heimreise mit dem Zug war wie eine Reise durch eine fremde Welt. Alles wirkte wie verzaubert und die Gedanken flogen dahin.
Ich lud meinen Freund ein noch eine Nacht bei mir zu schlafen und am Abend ergab es sich dass noch etwas Cannabis besorgt wurde. Die Wirkung hatte etwas regelrecht Trip-Artiges und so purzelten noch einige Erkenntnisse daraus hervor. Überhaupt dauerte es noch ein paar Tage, wieder ganz auf dem Boden zu landen und unterm Strich war diese Schwitzhütte eine der Tiefgreifendsten Reisen die ich je unternommen habe.

Der Beitrag wurde bearbeitet von Kosmos am Jan 16 2014, 22:02 Uhr.


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post Jan 17 2014, 09:45
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Salvia Fan
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Danke für diesen schönen Bericht, Kosmos.
Warst du vorher schon bei anderen Gelegenheiten der Feuermann, weil du das so routiniert beschreibst?


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post Jan 17 2014, 13:04
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Salvianaut
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Nein, es war überhaupt meine erste Schwitzhütte laugh.gif

Freut mich, dass der Bericht gefällt.


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